31 Jan

Youth in Development

„Youth in Development“ war ein Freiwilligendienstprojekt in der Türkei, genauer gesagt in Izmir.

Unsere Freiwillige Swantje war dort für 7 Monate im Stadtteil Bornova beschäftigt. Hier ein interessanter Bericht von ihr:

Mehr als ein halbes Jahr bin ich nun schon in der Türkei und mein Freiwilligendienst neigt sich so langsam aber sicher dem Ende zu. Während meiner Zeit hier habe ich Höhenflüge erlebt und Durststrecken überwunden. Vor allem habe ich intensiv eine mir fremde, mich faszinierende Kultur erlebt. Mit meinem Projekt vor Ort hatte ich leider wenig Glück, habe mich dort häufig nutzlos gefühlt und gelangweilt. Doch es gibt ja noch ein Leben außerhalb dessen, was man sich aufbauen muss und das habe ich sehr genossen: Freundschaften geschlossen, Türkisch trotz der Schwierigkeit der Sprache sehr gut gelernt und mir ein kleines vertrautes Umfeld geschaffen.
Das ist ein Bericht vom Anfang meiner Zeit in Izmir im Hochsommer:
Seit gerade mal drei Wochen bin ich in der Türkei und ich erlebe hier so viel Neues, Spannendes, Faszinierendes. Täglich neu und überraschend.

Das ununterbrochene Hupen der Autos und Minibusse, der Duft der Dönerspieße, Frauen in Minirock mit platinblondem Haar, das Rufen des Ezans zum Gebet und Kopftuchträger gehören hier ebenso zum Straßenbild wie in Mülleimern wühlende Frauen und Männer, dürre Katzenbabies am Straßenrand, unzählige studentenbeliefernde Fastfoodlieferanten auf ihren Motorrädern, das Geschrei auf den Pazars, die traditionelle türkische Musik und das Lachen der Kinder, die noch bis Mitternacht auf den Spielplätzen spielen. Männer tupfen sich ihre Stirn mit Tüchern ab, die Luft steht und es ist drückend heiß.

Izmir ist eine Stadt, in der Moderne und Tradition unmittelbar aufeinander treffen. Am vielleicht beeindruckendsten habe ich diesen Zusammenprall zwei so völlig unterschiedlicher Lebensweisen in der Henna-Nacht erlebt. In der Nacht vor der Hochzeit feiern Frauen und Männer traditionell getrennt voneinander den Abschied von der Familie und den Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Es ist nämlich durchaus üblich, dass Frauen wie Männer bis zu ihrer Hochzeit im Elternhaus wohnen.

Letzte Woche fand diese Veranstaltung direkt auf der Straße vor meinem Wohnheim statt. Vom Balkon aus konnte ich beobachten, wie den ganzen Tag über Stühle, Luftballons und Lichter herangetragen wurden. Abends bin ich dann mit ein paar Mädchen aus meinem Wohnheim zum Zuschauen und später Mittanzen dazu gestoßen. Untermalt von einer Mischung aus englischsprachigem Pop und orientalisch anmutenden Klängen, von Fingerschnipsen und Schulternwackeln wurde die Braut umkreist. Verwandte warfen Geldscheine in den Kreis, die Familie warf mit Hennapäckchen zurück. Zurück im Studentenwohnheim haben wir unsere Hennapäckchen dann angerührt und uns kleine Kreise auf die Handfläche geschmiert, die diese für zwei Wochen orange-rötlich verfärben.

Ansonsten habe ich es nach langem Ringen geschafft, den Besuch eines richtigen Türkischsprachkurses durchzusetzen. Einen Monat lang heißt das jetzt um 7.00 Uhr aufstehen und mit dem Bus nach Alsancak fahren um mit einer buntgemischten Gruppe aus Deutschen, Engländern, Italienern, Spaniern, Franzosen diversen Osteuropäern bis hin zu einer Thailänderin und einer jungen Frau aus der Dominikanischen Republik eine Sprache zu lernen, die meiner Muttersprache so gar nicht gleicht, weder was das Vokabular betrifft, noch die Grammatik. Etwa die Hälfte der Teilnehmer ist mit einem Türken verheiratet und macht sich jetzt daran, mit ihrem Ehemann zu sprechen. Ich habe mich mittlerweile auch an die Frage gewöhnt, ob ich verheiratet sei.

Nach dem Kurs gehe ich ins Büro, in dem es aber statt Arbeit bisher nur Tee und sehr sympathische Kollegen gibt. Nachdem neulich die Klimaanlage neben mir explodiert ist und Feuer gefangen hat fiel aber auch das flach. Nicht etwa, dass ich mich langweilen würde! Bereits zweimal bin ich am und im Meer gewesen, einmal mit „meiner“ Familie und einmal mit meiner Zimmerpartnerin, die mittlerweile jedoch zurück im Iran ist, um ihre Familie zu besuchen, bevor sie dann zum Studium wieder in die Türkei fliegt. Sie hat mir von dem Leben in Teheran erzählt und dass viele junge Leute so unzufrieden mit der Situation ihres Landes sind, dass sie auswandern. Ihre Geschwister leben in Amerika bzw. Australien. Ihr Visumsantrag, um ihren Bruder zu besuchen, wurde von der Australischen Botschaft abgelehnt: Man hat Angst, dass sie nicht wieder zurückgehen wird. Solche Gespräche berühren ungemein und sie helfen, sich in das Land und seine Situation hineinzufühlen.

In den letzten Tagen war ich im Freiluftkino, auf einem Pazar, bei einer Galaveranstaltung eines Fußballvereins, bei der ich gleich Lottofee spielen durfte (ich weiß ja selber nie, wie ich zu so etwas komme), in unzähligen Cafés, Bars und Restaurants, in einer recht großen und stilvollen Einkaufsanlage, beim Friseur mit dem wir anschließend noch Türkischen Kaffee getrunken haben und ich war Sinems Haarmodel für Locken und Steckfrisuren.

Ich komm aus dem Staunen noch nicht wieder raus.

Mittlerweile haben wir auch in der Türkei Winter um die 6°C, ich musste aus dem Wohnheim ausziehen und alleine wohnen und mein Sprachkurs wurde nicht fortgesetzt. So gut wie unverändert geblieben sind leider die Umstände in meinem Arbeitsplatz und glücklicherweise die grenzenlose Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Türken, ohne die ich das ein oder andere sicher nicht so gut gemeistert hätte.