31 Jan

Eurobackyards 6

„Eurobackyards 6“ war ein sehr kurzes EFD-Projekt in Polen – genauer gesagt in Bydgoszcz. Wir hatten dort 2 Freiwillige, die versucht haben etwas von ihrer Heimatkultur den dortigen Kindern im Rahmen von Freizeitangeboten näher zu bringen. Hier ein sehr ehrlicher, authentischer Bericht von Charlotte. Ungeschminkt mit allen Hochs und Tiefs und sehr interessant:

„Warum denn ausgerechnet Polen?“, war die Frage, die mir am häufigsten entgegenschlug, als ich meiner Familie und meinen Freunden über mein Vorhaben berichtet hatte. Dass ich meinen Europäischen Freiwilligendienst in Polen verbringen würde, hat sich eher aus Zufall ergeben. Und ich musste auch ehrlich gesagt zwei Mal darüber nachdenken, ob ich mich wirklich für dieses Projekt bewerben sollte.
Warum es letztendlich doch ein voller Erfolg war und ich nur jedem empfehlen kann, sich selbst ein Bild vom Europäischen Freiwilligendienst zu machen, erfahrt ihr jetzt in meinem Bericht.

Ich war für meinen Freiwilligendienst etwa eineinhalb Monate in Bromberg (auf polnisch Bydgoszcz) in der Mitte von Polen. Vor der Abreise wusste ich nur, dass ich dort polnischen Kindern etwas über Deutschland beibringen soll und wir insgesamt zehn Freiwillige aus fünf Ländern sein würden.

Die Unterkunft: Wir waren in Studentenwohnungen in einem großen Hochhaus-Komplex untergebracht, das nur etwa zehn Minuten zu Fuß von unserer Organisation entfernt lag. Ich wusste schon vorher, dass ich mir mein Zimmer mit anderen teilen musste, bin aber davon ausgegangen, dass meine Zimmergenossinen die anderen Freiwilligen aus dem Projekt sein würden.
Dem war leider nicht so. Obwohl – wie wir von der Organisation erfuhren – eigentlich geplant war, dass sich die Freiwilligen eine Wohnung teilen, lebten wir alle in verschiedenen Wohnungen verteilt. Die meisten lebten zu zweit oder zu dritt in einer Wohnung mit polnischen Studenten zusammen, ich und die andere deutsche Freiwillige lebten alleine. Zunächst musste ich mir ein Zimmer mit drei Polinnen teilen, die fast kein Wort Englisch sprachen und auch nicht wirklich nett zu mir waren. Die Organisation versprach mir jedoch zu Beginn, dass das nur eine Übergangslösung war und ich in ein paar Tagen die Wohnung wechseln könnte. Etwa eine Woche später kam ich dann in ein kleines Zimmer mit einer super netten Polin, die sowohl Englisch als auch etwas Deutsch sprach. Ich konnte mit all meinen Problemen zu ihr kommen. Sie gab mir immer Tipps für meine Reisen am Wochenende und lieh mir sogar ihre Reisetasche. Zum Abschied wollte sie für mich Polnisch kochen und gab mir sogar ein kleines Geschenk. Ich hätte mir keine bessere Zimmergenossin vorstellen können!

Die anderen Personen, die in meiner Wohnung lebten, waren bei Weitem nicht so nett. Sie sprachen ebenfalls eigentlich kein Englisch und machten auch keine Versuche, irgendwie anders mit mir zu kommunizieren. Als ich einmal zum Kochen eine Pfanne von ihnen benutzt, sie aber direkt danach sauber wieder in den Schrank gestellt hatte, klebte direkt danach ein Schild in der Küche: „Bitte eigene Sachen benutzen.“ Ich weiß von den anderen Freiwilligen, dass sie ähnliche Probleme hatten, es teilweise sogar noch schlimmer war, weil die Mitbewohner in der Wohnung geraucht oder jeden Tag laute Partys gefeiert haben.

Die Arbeit: Unser Ankunfts-Training wurde immer weiter nach hinten geschoben und so kam es, dass wir erst nach fünf Tagen wussten, was genau unsere Aufgabe sein würde. Nach dem Training haben wir dann die ersten Arbeitstage damit verbracht, in der Organisation Präsentationen über unsere Herkunftsländer zu erstellen. Da aus jedem Land zwei Personen kamen, arbeiteten wir in Zweierteams an den Power Point Präsentationen. Sie sollten kindgerecht sein und Informationen über Deutschland (Traditionen, Landschaft, große Städte, Essen, Sprache etc.) enthalten. Dann gingen wir jeden Tag in eine andere Schule, um dort unser Land vorzustellen. Meist hatten wir dafür pro Land zwischen zehn und 20 Minuten Zeit, manchmal jedoch auch nur fünf Minuten oder eine ganze Stunde. Die Vorträge hielten wir in der Regel auf Englisch, nur bei jüngeren Kindern mussten die Lehrer übersetzen.

Damit uns nicht langweilig wurde hatten wir die Aufgabe, die Vorträge immer wieder zu verändern. Auch sollten wir versuchen, die Kinder möglichst in die Präsentation einzubinden. Die Spanier zum Beispiel tanzten am Ende jedes Vortrags mit allen zusammen „Macarena“. Dadurch, dass die Kinder immer verschieden alt waren, mussten wir die Vorträge sowieso immer wieder ändern. Wir waren überall, von der ersten bis zur zwölften Klasse. An manchen Tagen gingen wir auch in Kindergärten oder Einrichtungen für Behinderte. Dort haben wir jedoch nicht unsere Präsentationen gehalten, sondern Spiele gespielt und getanzt.

Die Organisation: Ich muss zugeben, dass alles relativ unorganisiert war. Für uns Kurzzeitfreiwillige war ein Langzeitfreiwilliger zuständig, der über viele Sachen einfach nicht Bescheid wusste, was jedoch nicht seine Schuld war. Die Personen in der Organisation haben meist nur sehr schlechtes Englisch gesprochen. Wir wurden immer erst am Abend über Facebook informiert, wann wir uns am nächsten Morgen treffen würden, wie alt die Kinder sein würden und wie viel Zeit wir haben würden. Dennoch hat alles geklappt.

Die Sprache: Da unser Projekt nur eineinhalb Monate lang war, hatten wir nur am Anfang eine einzige Stunde Polnisch-Unterricht. Vor dieser Stunde war ich noch ziemlich motiviert dazu, jeden Tag Polnisch zu lernen, um nach dem Freiwilligendienst dazu fähig zu sein, einfache Konversationen zu führen. Doch ich merkte schnell, dass Polnisch eine relativ schwere Sprache ist und auch die Zeit einfach zu knapp war. So blieb es bei den einfachsten Worten.

Die anderen Freiwilligen: Unsere Gruppe war wirklich gut. Es gab noch eine andere Freiwillige aus Deutschland, zwei Spanier, drei Portugiesinnen, ein Ungar und ein Italiener sowie eine Italienerin. Ich habe mich eigentlich mit allen verstanden, wir sind jedes Wochenende zusammen verreist und ich habe mich wirklich wohl gefühlt. Auch über ihre Kultur habe ich vieles gelernt. Meist sind viele einmal in der Woche feiern gegangen, da war ich jedoch nicht so oft dabei. Am besten habe ich mich mit den Spaniern verstanden. Mit ihnen war ich jeden Abend erst im Fitnessraum der Apartments, dann haben wir zusammen gekocht und meist noch lange geredet. Ich bin immer noch mit ihnen in Kontakt und werde sie im Sommer auf jeden Fall besuchen.

Freizeit: Da wir meist nur vormittags in den Schulen waren, hatten wir relativ viel Freizeit. Unsere Wohnungen waren leider 30 Minuten von Zentrum entfernt. Jedoch hatten wir eine Karte mit der wir die öffentlichen Verkehrsmittel umsonst benutzen konnten. Langeweile hatte ich eigentlich nie, weil ich meist etwas mit den anderen Freiwilligen gemacht habe. Es war auch wirklich gut, dass wir den Fitnessraum und den Billard-Tisch des Studentenwohnheims benutzen konnten.

Ich habe jedes Wochenende zum Reisen genutzt. In Polen ist alles wirklich günstig, das gilt auch für öffentliche Verkehrsmittel. Ich war jeweils ein Wochenende in Posen, Danzig, Krakau, Zakopane und Breslau. Vorher hätte ich nie gedacht, wie schön Polen ist. Ist habe viel gesehen und eine super tolle Zeit mit den anderen Freiwilligen verbracht. Besonders Zakopane und Krakau kann ich jedem empfehlen. Auf den Reisen habe ich viele tolle Erfahrungen gemacht, die ich nicht missen möchte, und weitere tolle Leute kennengelernt.

 

Abschließend kann ich sagen, dass ich überglücklich bin, diesen EFD gemacht zu haben. Ich habe super interessante Leute kennengelernt, viel von Polen gesehen, kann jetzt viel besser präsentieren und improvisieren, habe mein Englisch verbessert und das sind nur die Dinge, die mir jetzt gerade einfallen. Außerdem schätze die Europäische Union viel mehr, interessiere mich durch die vielen politischen Gespräche mehr für Politik und kann mir gut vorstellen, Politik zu studieren.

Ich war kurz davor, mich nicht zu bewerben. Eben weil es Polen war und fast niemand verstehen konnte, warum ich dort hin wollte. Auch weil ich nicht genau wusste, was dort auf mich zukommen würde. Doch ich habe mich beworben, wurde genommen und hatte eine der besten Zeiten meines Lebens. Auch wenn es teilweise ein ganz schönes Durcheinander war, ist es leicht darüber hinweg zu sehen. Die anderen Freiwilligen und die Reisen wiegen das alles doppelt wieder auf.

Wenn ich vorher genau gewusst hätte, was meine Aufgaben sein würden, hätte ich mich wahrscheinlich nicht beworben. Ich mag es überhaupt nicht, Präsentationen zu halten. Nachdem dies jedoch eineinhalb Monate lang fast täglich meine Aufgabe war, habe ich Gefallen daran gefunden und mich stark verbessert.

Was ich damit sagen wollte ist, dass man manche Dinge einfach tun sollte. Wir sind jung und haben nichts zu verlieren. Es ist klasse, wenn es – wie es bei mir der Fall war- gut wird, aber auch wenn es vielleicht nicht so toll ist, ist man am Ende immer eine Erfahrung reicher.

Ich kann jedem also wirklich empfehlen, selbst einen Freiwilligendienst zu machen. Ich denke, dass die Erfahrungen, die man in dieser Zeit macht, wirklich wertvoll sind und jeden persönlich weiterbringen. Man sieht etwas von Europa, hat plötzlich Freunde in anderen Ländern, lernt eine neue Sprache oder verbessert sein Englisch und erlangt neue Fähigkeiten in dem jeweiligen Arbeitsbereich. Was will man mehr?