19 Jan

Inter culturalité

„Inter culturalité, mise en réseau et écocitoyenneté sur la région de Brioude“ heisst das EFD-Projekt ganz genau. Ist in Frankreich. Genauer gesagt in Brioude, südlich von Clermont-Ferrand. Unser Freiwilliger Oscar ist dort seit ca. vier Monaten noch weitere 7. Hier sein authentischer und köstlicher Bericht:

3 Monate sind vergangen, seit ich das erste mal meinen Fuß auf französischen Boden gesetzt habe und mein Freiwilligendienst in Brioude begonnen hat. Ich komme aus Berlin, und der Größenunterschied zwischen beiden Städten (3,5mio – 7k Einwohner) hatte ich bewusst gewählt, auch um eine andere Seite des Lebens kennen zu lernen. Man wächst schließlich nur an Herausforderungen.

Und besagte Herausforderungen kamen in dieser ersten Phase genügend auf mich zu. Seien es die erstmals Ländergrenzen überspannende Distanz zu Freunden und Familie und das damit einhergehende Gefühl von Einsamkeit, oder allerlei weitere kleine Problemchen die sich in diesem anfänglichen Unwohlsein gerne auch etwas größer darstellen, als sie eigentlich sind. Dazu kamen dann auch noch meine rudimentären Französischkenntnisse, die anfänglich nur gelegentlich Kommunikation mit Armen und Beinen unterstützend um ein paar Laute erweitern konnten. Auch Jugendliche schienen sich nur schwerlich zu finden, zumindest lag bei meiner Arbeit im Café der Altersschnitt jenseits Schul- oder Studienzeit.

Die Arbeit im Café wurde dann noch dadurch erschwert, dass ein neuer Koch eingestellt wurde, dem weder das Konzept eines „café culturel associatif“ etwas zu sagen schien, noch was ein „Freiwilliger“ sei, noch dazu ein ausländischer, ohne bedeutende Sprachkenntnisse. Der erste gemeinsame Arbeitstag endete jedenfalls in einem kleinen Anfall seinerseits und schwindendem Optimismus meinerseits. Etwa zu dem Zeitpunkt war ich bei der Erkenntnis angelangt, dass der Freiwilligendienst eine unvorteilhafte Entscheidung gewesen war.

Aber wenn man am Boden liegt, geht es nur noch aufwärts. Von da an kamen dann endlich ein paar positiven Erlebnisse. Beim Einreiseseminar in Sommières hatte ich nämlich endlich die Chance Gleichaltrige zu treffen. Die schienen auf den ersten Blick alle ziemlich oberflächlich und mein kleines Fünkchen Hoffnung war im Begriff vollends zu erlöschen, als sich dann am letzten Tag plötzlich eine Gruppe von Leuten vom Rest absetzte, die gar nicht so aufgesetzt wie der Rest wirkte, mit denen man sich nicht nur über Nichtigkeiten unterhalten konnte.
Und endlich waren ein Paar Freunde gefunden.
Zwar leider durch einige Kilometer getrennt, aber dadurch ergaben sich dann wieder gegenseitige Besuche, die einem neue Ecken Frankreichs zugänglich gemacht haben. Dass ich doch noch so tolle Menschen getroffen habe, war ein unheimliches Glück.

Auch die Verbissenheit meines Tutors offenbarte sich (auch in Folge wachsender Sprachkenntnisse) auf einmal als sehr eigener ironischer Humor, den ich bis dahin nur vollkommen missverstanden hatte. Zusammen mit der Euphorie seiner Frau ist es echt angenehm bei ihnen zu wohnen.

Zu meiner Arbeit im Café ist noch ein Französischkurs gekommen, zwei Morgende die Woche, bei dem sich immer sehr interessante Menschen einfinden. Durch die Lage des Kurses und dadurch, dass er kostenlos ist, kommen einige sozial Schwächere mit ihren Geschichten und Hintergründen, die ziemlich interessant sind und mich einiges über das Leben gelehrt haben. Über die Offenheit und das Vertrauen das wir einander gegenüber aufbringen sind wir (wie es einst eine alte Portugiesin formulierte) zu einer Familie geworden. Und ich muss zugeben, auch wenn es am frühen Morgen im kalten Winter eine Herausforderung darstellt, sich auf den Weg dorthin zu machen, genieße ich doch jede Minute dieses Kurses, die ich bekommen kann.

Eine weitere Aufgabe, die ein Monat nach Beginn des Freiwilligendienstes mein Projekt noch ergänzte, war die Assistenz eines Deutschlehrers am Gymnasium. Dabei unterstütze ich ihn beim Unterricht mit 12-18jährigen. Was, als ich das erste mal davon gehört hatte, als ziemliche Herausforderung anmutete, stellte sich dann doch als ziemliche Unterforderung heraus: Bei einer Klassenstärke von zwei bis drei Schülern durfte ich mich dazu setzen und gelegentlich deutsche Texte vorlesen. Später dann konnte ich auch ein paar Kurzfilme vorschlagen, zu Themen wie der Berliner Mauer („Mauerhase“ – Bartek Konopka; unheimlich gut!), Weihnachten oder Jugendkulturen. Ansonsten besteht meine Hauptaufgabe weiterhin daraus, mich still in den Unterricht zu setzen und das französische Schulsystem dabei zu beobachten wie es daran versagt, die deutsche Sprache zu vermitteln.
Bei den Jüngsten (siebte Klasse) ist der Unterricht streckenweise am lustigsten. Die plappern unheimlich begeistert nach, was sie auf Deutsch vorgesprochen bekommen, versuchen andauernd mit Vokabeln – die sie bei mir erfragen – aufzutrumpfen, und wirken, egal was man macht, immer interessiert. Und auch wenn die eher mäßige Disziplin den Lautstärkepegel häufiger ins Unangenehme steigert, so hat man doch immerhin durchgehend etwas zu sehen.

Außerdem hatte ich durch einen Besuch meiner Eltern (der ja an sich schon das Potential hat, die Stimmung in ein Hoch zu katapultieren) endlich auch die Möglichkeit, etwas mehr von der Landschaft zu sehen. Denn mit dem Auto kommt man hier auf jeden Fall weiter und die 2 Jahre Führerschein um das örtliche Auto zu benutzen, unterbiete ich leider immerhin um 1 1/2. Durch meine Eltern konnte ich jedenfalls das Mittelgebirge, über das sich die Auvergne erstreckt, genießen, sowie regionale Städte, Dörfer und die Schönheit der Region, bevor der Winter die Natur für kurze Zeit unzugänglich macht.

Im Winter bin ich dann nach Berlin zurück, um die Feiertage mit Familie und Freunden zu verbringen. Nach laaaangen Ferien bin ich jetzt wieder in Frankreich, bereit für die letzten 2/3 des Freiwilligendienstes; den Kopf voller Ideen, so dass sich die kommenden Monate hoffentlich zu einer super Zeit entwickeln!