08 Jan

Life with Meaning

„Life with Meaning“ ist ein EFD-Projekt auf Zypern. Unser Freiwilliger Finn hat es gut erwischt und verlebt eine spannende Zeit auf der geschichtsträchtigen Mittelmeer-Insel. Hier sein auch mit Hintergrund-Informationen gespickter interessanter Bericht:

Zypern – was stellt man sich da vor? Naja ich hatte einen warmen Winter und irgendwas mit einem Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei im Kopf. Inwieweit das zutrifft, werdet ihr selbst nach dem Lesen meines Berichtes beurteilen müssen.
Ich habe jetzt die Hälfte meiner 6 Monate hier in Zypern hinter mir und was soll ich sagen, es ist anders als ich erwartet habe. Zunächst einmal ein paar historische Fakten, denn die sind notwendig, um sich ein Bild der aktuellen Situation zu machen – keine Angst, ich werde nicht zu viel abschweifen.

Die Situation:

Zypern ist seid Jahrhunderten von anderen Mächten besetzt, Teil des Römischen Reiches, danach von der Republik Genua, erobert von der Republik Venedig, danach dem Osmanischen Reich.
Im ersten Weltkrieg wurde Zypern dann von den Briten annektiert, 1960 wurde es dann unabhängig. Das hielt aber nicht lange, nach einem Putschversuch 1974 von einem Teil der griechischen Zyprioten mit dem Ziel Zypern Griechenland anzuschließen schritt die Türkei ein und besetzte den Norden der Insel. Kurze Zeit später wurde ein Waffenstillstand ausgehandelt und die Friedenstruppen der Vereinten Nationen patrollieren seitdem in der sogenannten „Green Line“ zwischen den beiden Teilen der Insel. Das ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt, die ganze Situation ist um einiges komplexer, das reicht aber als Idee der Vergangenheit. Wie sieht es aber nun in der Realität aus?

Zunächst einmal: abgesehen von den Unterschieden zwischen den beiden Seiten und der „Green Line“ gibt es hier nicht viel was auf den Konflikt hindeutet, abgesehen von vielen Initiativen die beiden Bevölkerungsgruppen zu vereinen. So gibt es in der Pufferzone ein Café, wo sich Zyprioten von beiden Seiten treffen können. Ernsthaft gefährlich ist die Situation nicht, aber den Konflikt vergessen kann man trotzdem nicht. Vorallem weil auf der türkischen Seite eine Große türkische Flagge auf den Berghängen zu sehen ist, die Nachts auf Nikosia runter leuchtet.

Die Jahrhunderte der unterschiedlichen Besatzungen und die Nähe an unterschiedlichste Länder und Kontinente hat zudem dazu geführt, dass die Bevölkerung unglaublich gemischt ist, so leben Menschen aus Syrien, Griechenland, Indien, der Türkei, Zypern, den Philippinen und vielen anderen Ländern zusammen. Wenn ich sage zusammen, dann meine ich auch zusammen. Was ich aus Hamburg mit starker Segregation ethnischer Gruppen kannte, gibt es so hier nicht.

Ich lebe in Nikosia, der zweigeteilten Hauptstadt von Zypern.
Die südliche Hälfte gehört zum griechisch-zypriotischen Teil der Insel und der nördliche zum türkisch-zypriotischen. Praktisch bedeutet das, dass man durch zwei Passkontrollen muss, falls man auf die andere Seite will. Was jedoch alle Menschen hier vereint, ist der Wunsch nach einer Vereinigung von ganz Zypern, das scheint aber noch weit entfernt – die Gespräche in der Schweiz im November sind gerade erst fehlgeschlagen.

Leben und Kultur in Nikosia:

Unterschiedlichste Kulturen und Menschen hautnah erleben, das kann man in Nikosia. In den beiden Haupteinkaufsstraßen unterschiedlichste Restaurants und Schnell–Imbisse. Einfach eine beeindruckende Vielfalt. Eine Sache, die ich auf jeden Fall als wunderbare Erinnerung mitnehmen werde. Essen ist allgemein eine der Lieblingsbeschäftigungen der Zyprioten, und bei dem unglaublich guten und unterschiedlichen Essen hier kann ich das gut verstehen. Zu dem Essen wird dann klassisch Zivania, ein traditioneller Tresterbrand, getrunken. Und das nicht zu knapp.
In ganz Zypern gibt es auf den Straßen Linksverkehr, das war für mich eine ziemliche Umstellung. Dazu kommt noch die Fahrweise der Zyprioten, wobei man häufig den Eindruck bekommt, dass viele eigentlich gar nicht fahren können. Fußgängerampeln gibt es vielleicht zehn in ganz Nikosia, Blinker an den Autos sind nur ein nettes Accessoir, dafür wird übermäßig Gebrauch von der Hupe gemacht. Alle anderen Regeln im Straßenverkehr werden meistens auch nur so lose interpretiert. Aber das ist eine Sache, an die man sich auch gut und schnell gewöhnen kann.
Ich lebe zusammen mit 3 anderen Freiwilligen, die bei meiner Organisation arbeiten, zwei aus Griechenland und eine aus Frankreich. Kontakt habe ich zu vielen anderen Freiwilligen, da man sich zwangsweise häufig begegnet – Zypern ist klein, das hört man hier häufig und es stimmt. Man trifft immer mehr Menschen und plötzlich kennt man wenigstens vom Sehen gefühlt fast jeden und wird ein Teil der Gemeinschaft. Dazu kommt, dass viele selbst sich ehrenamtlich engagieren und es in Nikosia unglaublich viele Freiwillige und Erasmus-Studenten gibt. Dabei helfen auch die ganzen Events, die es hier gibt – häufig organisiert von anderen Freiwilligen – wo man viele neue und bereits bekannte Gesichter trifft. Für mich besonders toll: es gibt in Nikosia viele sehr gute Rock-Bars und zahllose Konzerte, also immer etwas wo man hingehen kann.

Die Herkunftsländer der Freiwilligen sind dabei sehr verschieden, ein paar aus Deutschland, Spanien, Polen, Griechenland, Frankreich, Rumänien, Tschechien und viele andere Länder. Interkultureller Austausch findet dabei praktisch von selbst statt, da man meistens mit Leuten aus anderen Ländern zusammen ist.

Meine Arbeit:

Die Organisation bei der ich bin heißt Cyprus Youth Clubs Organisation. Ich gehöre zu der zweiten Generation an Freiwilligen, die bei der Organisation sind. Von den drei Freiwilligen da, haben zwei sich einen Job hier gesucht um hier wenigstens für einige Zeit länger zu leben, Zypern hat was. Wir Freiwilligen haben im Prinzip drei Aufgabenbereiche:

Zum einen haben wir Projekte, an denen wir arbeiten und die wir bis zum Ende unserer Zeit hier fertig haben müssen, dass ist zum Beispiel das Sammeln von Projekten für die Youth Clubs hier, die dann am Ende als ein Buch veröffentlicht werden.
Zum anderen ist es das Helfen bei allem was ansteht, also unterstützen bei der Organisation und Durchführung von einem Youth Exchange, veröffentlichen und schreiben von Artikeln für die Webseite und einiges mehr.
Und zum Schluss das was an uns liegt, also wir uns mit unseren Interessen einbringen wollen, ich mit meinem Interesse an Webentwicklung möchte gerne die Webseite optimieren und technisch weiter entwickeln, die Französin, kümmert sich um das Verbessern des Social Media Auftritts. So hat jeder die Chance etwas zu tun, was ihn oder sie interessiert sich komplett einzubringen. Dabei werden wir unterstützt bei dem was wir erreichen wollen, sei es eine Idee oder Hilfe wie es zu unserem Sprachkurs geht.
Zusätzlich gibt es Griechisch-Stunden. Ich werde zwar sicher kein Griechisch-Ass am Ende sein, aber die ersten Worte verstehen und die Worte lesen können, ist schon drin, was ein guter Start für weiteres Lernen in Deutschland ist.

Wetter:

Das Wetter in Zypern was im Oktober noch wahnsinnig gut, so um die 30 Grad in der Nacht und entsprechend mehr, aber jetzt ist hier auch Winter. Teilweise um die Null Grad und auf den Bergen ist jetzt Schnee. Aber dann gibt es auch immer wieder Tage mit 16 bis 17 Grad, also sehr unterschiedlich.

Alles in Allem:

Unterschiedliche Kulturen erleben, unterschiedlichste tolle Menschen kennenlernen, Abenteuer erleben und die Insel selbst erkunden. Dazu tolles Essen, Musik und meistens auch Wetter. Alles in allem kann ich Zypern und den Europäischen Freiwilligendienst nur jedem weiterempfehlen – ich bereue meine Entscheidung auf jeden Fall nicht und bin sehr zufrieden.