20 Mrz

Building On Diversity

„Building On Diversity“ war ein Freiwilligendienstprojekt in Zaragoza/Spanien. Unsere Freiwillige Tina hat sich dort für nicht ganz ein halbes Jahr in einer Einrichtung für behinderte Menschen engagiert. Hier ein sehr schöner, ausführlicher Bericht von ihr nach fast 2 Monaten seit dem Beginn ihres Freiwilligendienstes:

¡Hola!

 

Mein Name ist Tina, ich bin 20 Jahre alt, komme aus Lübeck und bin jetzt seit fast 7 Wochen in Zaragoza, der Hauptstadt der autonomen Gemeinschaft Aragonien. Die Stadt liegt im Nordosten des Landes, südlich der Pyrenäen. Mit fast 700.000 Einwohnern ist Zaragoza nicht unbedingt klein, aber trotzdem kann man hier völlig entspannt und stressfrei leben. Die Stadt ist zwar im Ausland nicht sonderlich bekannt (auch ich habe mich erst mal gefragt, wo Zaragoza eigentlich liegt und ob es dort irgendetwas Interessantes gibt) und dementsprechend gibt es kaum Touristen, jedoch gibt es hier eine Menge interessanter Sehenswürdigkeiten, wie z.B. die Básilica de Nuestra Señora del Pilar, viele römische, christliche und auch maurische Gebäude, Museen, Parks und natürlich die typisch spanischen Bars und Feste. Besonders für Jugendliche gibt es hier ein ziemlich großes und günstiges Freizeitangebot. Ich mache inzwischen einen Gitarrenkurs und gelegentlich Workshops zu verschiedenen Themen (Fahrrad reparieren, Umwelt, Filzen usw.). Leider habe ich bisher kein Frauenfußballteam gefunden, das außerhalb meiner Arbeitszeiten (spät nachmittags-abends) trainiert, aber ab und zu habe ich die Gelegenheit mit einem Team aus Behinderten und Freiwilligen meiner Organisation mitzuspielen und mit Joggen am Fluss kann man sich auch gut fit halten und außerdem bin ich hier nur mit Fahrrad oder zu Fuß unterwegs.

 

Ich habe zwar eine „Mitfreiwillige“ aus Frankreich, Alice, mit der ich mich fantastisch verstehe und sehr viel zusammen unternehme, wohnen tue ich aber zusammen mit zwei jungen Spanierinnen, die 1-2 mal die Woche auch als Freiwillige in meiner Organisation arbeiten. Das ist gut, weil ich so viel besser Spanisch lernen kann und vor allem sofort Anschluss gefunden habe. Spanier sind generell tolle Leute – wahnsinnig herzlich, hilfsbereit, fröhlich, gelassen und offen – und ich habe mich hier sofort wie zuhause gefühlt.

 

ATADES ist eine große Organisation für Menschen mit Behinderung, zu der verschiedene Einrichtungen, wie z.B. Wohnheime, Schulen und Tageszentren, gehören. Ich arbeite im Club de Los Tigres, einem Freizeitclub für Menschen mit geistiger Behinderung. Wir bieten jeden Wochentag verschiedene Aktivitäten an: Montags habe ich zweimal „expresión corporal“ (so ähnlich wie Ausdruckstanz), außerdem gibt es noch Kochen und Theater, da mache ich aber nicht mit. Dienstags Kunst, mittwochs sevillanische Tänze, donnerstags habe ich Fotografie und Radio (es gibt aber auch noch lateinamerikanische Tänze) und freitags Informatik (und eine Gruppe macht zur gleichen Zeit Entdeckungstour durch Zaragoza). Da viele Angebote gleichzeitig stattfinden, kann ich leider nicht alles mitmachen, aber uns wurde die Möglichkeiten das auszuwählen, was uns am meisten Spaß macht. Diese Angebote werden ausschließlich von Freiwilligen geleitet und betreut, jedoch wird immer darauf geachtet, dass die Teilnehmer ihre eigenen Ideen einbringen und selbst entscheiden können, was sie am liebsten machen wollen. Der Club hat nur zwei feste Mitarbeiter, die sich hauptsächlich um die Organisation kümmern, dafür aber insgesamt fast 80 Freiwillige. Für mich ist es faszinierend zu sehen, wie viele junge Menschen sich in ihrer Freizeit dort engagieren und vor allem mit wie viel Begeisterung und Motivation sie dabei sind. So etwas habe ich in Deutschland vorher nicht erlebt. Die Arbeit dort macht aber auch so viel Spaß und die Menschen geben einem so unendlich viel zurück, dass ich das Gefühl habe, dass wir mindestens genau so viel davon profitieren wie die Teilnehmer. Zweimal im Monat muss ich auch samstags arbeiten, weil an den Samstagen immer ganz besondere Aktionen im Club stattfinden, an denen jeder teilnehmen kann, der Lust dazu hat (meistens sind das so 60-80 Leute). Auch für uns ist das immer ein ganz besonderes Event. Bisher hatten wir zum Beispiel ein großes Fest mit Clowns und Karaoke zum 40jährigen Jubiläum des Clubs, Karneval (und den Samstag davor haben wir die Verkleidungen dafür gebastelt), gemeinsame Aktionen mit den Scouts, Ausflüge usw. Außerdem bietet der Club auch noch eine Menge Wochenendtrips, Tagesausflüge und im Sommer lange Reisen an. Anfang März zum Beispiel waren wir mit einer Gruppe in Galve, einem Dorf in der Nähe von Teruel, und haben dort einen Dinosaurierfreizeitpark besucht. Das Wochenende war für mich eine tolle Erfahrung und hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, war aber auch sehr anstrengend, weil man quasi rund um die Uhr im Einsatz war.

 

Alice und ich wollen uns zusammen ein neues Angebot für den Club überlegen, das wir selbst entwickeln und dann hoffentlich mit ein paar anderen Freiwilligen betreuen, denn man kann zwar in einigen Workshops eigene Ideen einbringen, aber so ein komplett eigenes Projekt ist schon etwas anderes.

 

So, ich könnte jetzt wohl noch einen halben Roman verfassen, will es aber auch nicht übertreiben. Ich kann aus meiner Erfahrung nur jedem raten, so einen Freiwilligendienst zu machen. Ich mache hier fast jeden Tag tolle Erfahrungen, habe wundervolle und interessante Menschen kennengelernt und lerne ständig Neues dazu. Für mich geht gerade ein Traum in Erfüllung und wenn ich daran denke, dass das Ganze im Juli schon vorbei sein wird, stimmt mich das ganz traurig. Wichtig ist, immer offen zu sein und so viel mitzunehmen und mitzumachen wie möglich, auch wenn das manchmal (und ganz besonders am Anfang, wenn man noch nicht so viel versteht und sich nicht so gut auskennt) sehr anstrengend oder schwierig sein kann. So eine Möglichkeit bietet sich nicht oft im Leben und man sollte das Beste daraus machen. Ich freue mich auf jeden Tag, den ich hier noch habe und natürlich darauf, noch ein bisschen mehr rumzureisen und so viel von diesem einzigartigen Land zu sehen wie möglich.

 

Un saludo,

 

Tina