03 Nov

Feedback for Nature via EVS

„Feedback for Nature via EVS“ ist ein EFD-Projekt in der Türkei. Genauer gesagt in Mersin und noch genauer gesagt in Kazanlı. Das ist der Strand vor Mersin. Wir arbeiten ja schon länger mit der Organisation zusammen und es geht eigentlich immer um den Schutz von Meeresschildkröten. Mal um den Schutz der Eiablage, mal um das sichere Geleit der Geschlüpften ins Meer und mal um den Schutz des Strandes im Allgemeinen. Hier nun ein Bericht unseres Freiwilligen Tim, der grad aus der Türkei zurückkehrte. Liest sich sehr gut und kann Mut machen sich in dieser nicht einfachen Zeit doch auch auf den Weg in dieses spannende Land zu machen. Auch wenn nicht immer alles auf den ersten Blick positiv ist.

Als ich in Adana das Flugzeug verlasse, betrete ich einen kleinen Raum mit Gepäckband und heruntergekommenem Duty Free Shop. Vor dem Terminal steht eine Kolonne von Taxifahrern, die auf der Suche nach dem passenden Shuttle nach Tarsus selbstverständlich keine Hilfe sind. Englisch spricht auch beinahe niemand, seit ich in Istanbul in den Bereich der Inlandsflüge gewechselt bin.

Ich schaffe es schließlich, den Bus zu erreichen, und lerne kurze Zeit später unseren Mentor Yusuf und zwei andere Teilnehmer aus Tschechien kennen. Gemeinsam bringt uns Yusuf in eine der zwei – es gibt nicht 3, wie in der Projektbeschreibung angegeben – Wohnungen, die als eine Art Gemeinschaftswohnung nicht nur als Unterkunft sondern auch als Ort zum Kochen, Reden und für Workshops dient.

Sie befindet sich am alleräußersten Rand eines kleinen Dorfs in einem Häuserblock direkt am Meer. Das ist selbstverständlich toll, allerdings schockiert mich das Innere der Wohnung leicht.
Es ist nicht die Tatsache, dass in einem Schlafzimmer zwei Doppelstockbetten stehen und beinahe den gesamten Raum ausfüllen, dass die Dusche nur kalt und heiß kennt oder dass die Farbe von den Wänden blättert. Jedoch funktioniert außerdem die Waschmaschine nicht, der Deckel der Toilette ist zerbrochen und als ich mich auf einen Stuhl im Wohnzimmer setze, gibt unter mir die zerfetzte Sitzfläche nach (ich wiege etwa 53 kg). Auch in der zweiten Wohnung stehen im Wohnzimmer die Überreste eines zerbrochenen Fensters, welches aber keiner Reparatur bedürfe, da ja niemand im Wohnzimmer schlafe.

Yusuf, der Mentor, und Seyhan, der Projektkoordinator, arbeiten beide hauptberuflich in einer anderen Position. Beachtet man diesen Umstand, verbringt Yusuf doch recht viel Zeit mit uns.
Dass die Lebensumstände in der Türkei generell völlig verschieden zu den deutschen sind, habe ich schon geahnt. Tatsächlich ist Pünktlichkeit nicht unbedingt die oberste Maxime. Dies gilt allerdings auch für die insgesamt 13 Freiwilligen. Insbesondere die drei Spanier und eine Portugiesin erschweren die Zusammenarbeit durch ständiges Fehlen erheblich. Dazu kommt mangelnder Respekt zwischen allen TeilnehmerInnen, was zu alltäglichen, dreckigen Geschirrstapeln in Küche und Wohnzimmer führt. Dem Zusammenleben mit so vielen unterschiedlichen Personen auf engem Raum ist objektiv betrachtet keiner der TeilnehmerInnen gewachsen.

Das eigentliche Projekt ist bei unserer Gruppe in zwei Abschnitte geteilt, da die Schildkrötensaison gegen Ende September endet.
Generell säubern wir beinahe täglich den Strand von Plastikmüll. Vor dem Saisonende arbeiten wir zusätzlich nachts am Strand, um nach frisch geschlüpften Schildkrötenbabies zu suchen, die durch das künstliche Licht der Wohnungen den Weg zum Strand nicht finden. Wir finden teils nur einige wenige, teilweise mehr als 30 Schildkröten pro Nacht. Die süßen Tierchen belohnen die Arbeit überproportional.
Im zweiten Teil des Projekts arbeiten wir nach einem schrecklich unproduktiven Prozess, der eine Beleidigung für das Wort „Brainstorming“ wäre, an einem Theaterstück über Schildkrötenschutz und Recycling. Außerdem beschließe ich mit zwei anderen Teilnehmern, die im Gegensatz zu mir (ich habe gerade mein Abitur gemacht) aus der Branche kommen, die verclusterte Website der Organisation zu überarbeiten. Das müssen wir häufig in unserer Freizeit tun, weil die Workshopzeit meist nicht ausreicht.

Die Theateraufführungen in Schulen ähneln meist Popkonzerten (oder alternativ einem Zoobesuch), da die türkischen SchülerInnen unglaubliches Interesse an uns haben. Die Türken sind generell ein recht freundliches Volk, neigen aber nicht unbedingt zur Objektivität. Und sie lieben Atatürk, den Gründer der Türkei. Ihn findet man ohne Übertreibung überall: auf Plakaten, in Logos, in Schulen, auf Souvenirartikeln, in Cafés etc.
Unsere Website stellen Vaida, Marcello und ich schließlich auch fertig. Sie ist bisher bloß leider noch nicht online.

An den Wochenenden erkunden wir (oft gemeinsam) die Türkei. Ich habe nach den zwei Monaten beinahe alle bedeutenden Orte gesehen: Kappadokien, Pamukkale, Istanbul, Ephesos, Izmir und mehr. Ab und zu bleibe ich auch bewusst für einen Tag in Mersin, der nächsten Stadt, um im Starbucks zu lesen und zu arbeiten.

Während des gesamten Projektes gibt es leider häufig Streit zwischen wenigen Personen, der meist durch Faulheit und Ignoranz (oder schlichtweg Dummheit?) entsteht und die gesamte Stimmung vergiftet. Selbst Yusuf hält uns unterschwellig für eine merkwürdige Gruppe, da kann ich ihm nur zustimmen.
Insgesamt habe ich daher im Projekt ehrlicherweise überwiegend negative aber dennoch wertvolle Erfahrungen gemacht. Meine Englischkenntnisse konnte ich zwar vermutlich nicht verbessern, da das Niveau generell eher niedrig war. Allerdings habe ich durch den EFD eine eigene Position gefunden und meinen zukünftigen Weg schärfer nachzeichnen können – ich weiß jetzt beispielsweise, was ich studieren möchte.

Insofern kann ich einen Freiwilligendienst klar empfehlen. Man sollte aber keinen Urlaub erwarten. Und keine Normalität.