03 Dez

Home Les Charmilles

„Home Les Charmilles – Accompanying mental handicapped people“ ist ein Projekt in Wiers/Belgien. Also im Französisch sprechenden Teil Belgiens. Unsere Freiwillige Elena ist dort seit 3 Monaten. Hier ihr wirklich sehr gut geschriebener und interessanter Bericht:

Vor etwas mehr als zwei Monaten saß ich im Zug auf meinem Weg in einen neuen Abschnitt meines Lebens.

Dieser Weg hatte eigentlich schon lange vorher begonnen; schon Anfang letzten Jahres hatte ich mich entschieden, nach meinem Abitur einen Europäischen Freiwilligendienst zu absolvieren, und hatte die Jagd nach geeigneten Plätzen begonnen. Die Suche war lang und mitunter sehr frustrierend, da ich zu dem Zeitpunkt der Abreise noch minderjährig war, was viele Projekte wegen der damit einhergehenden bürokratischen Probleme abschreckte.

Doch Anfang 2016 fand ich ein Projekt im frankophonen Teil Belgiens, das mir sehr gefiel: es war ein Heim für geistig behinderte Erwachsene namens „Les Charmilles“, das Freiwillige für die Hilfe bei Freizeitaktivitäten für Bewohner suchte. Nachdem ich die Zusage erhalten und meinen Freudentanz beendet hatte, fingen die richtigen Vorbereitungen an. Neben lauter Dokumenten, die unterschrieben und hin-und hergeschickt werden mussten, gab es einen faszinierenden Online-Vorbereitungskurs von der Sendeorganisation. Erst durch das Bearbeiten dieses Kurses wurde mir langsam aber sicher klar, dass ich das folgende Jahr in einer fremden Kultur leben würde. Doch auch, als ich Anfang September mit einem viel zu schweren Koffer am Gleis stand, war mir noch nicht ganz bewusst, was mich in der nächsten Zeit erwarten würde.

Jetzt, mehr als zwei Monate später, habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, diese Frage zu beantworten. Nun, es erwartete mich vieles. Es erwartet mich eine Arbeit, die zwar anstrengend sein kann, mich aber am Ende des Tages mit einem zufriedenen Gefühl erschöpft ins Bett fallen lässt. Es erwartete mich eine Sprache, die ich zwar schon immer geliebt, aber nie gelebt habe, und in der ich mich mehr und mehr zurechtfinde. Und es erwartete mich eine neue Familie, bestehend aus zwei anderen Freiwilligen, mit denen ich zusammen wohnen, Belgien entdecken und einfach nur Spaß haben würde.

Aber eins nach dem anderen: zunächst das Projekt. Charmilles ist in zwei Teile eingeteilt, „Charmilles 1“ für die weniger- und „Charmilles 2“ für die mehr eigenständigen Heimbewohner. Ich habe gleich zu Beginn in Charmilles 1 angefangen, in dem die wenigsten Bewohner sprechen und einige auch nicht eigenständig laufen können. Das war tatsächlich ein Sprung ins kalte Wasser, und die ersten Tage dort waren recht schwer für mich. Aber nach einer Eingewöhnungsphase lernte ich die verschiedenen Bewohner näher kennen und fand heraus, dass jeder seine eigene einzigartige Persönlichkeit hat und es auch andere Möglichkeiten als Unterhaltungen gibt, um enge Beziehungen zu Leuten aufzubauen. Darauf wird bei Charmilles großen Wert gelegt; mir wurde in den ersten Tagen unzählige Male stolz erzählt, wie nah die Betreuer den Bewohnern stehen. Auch bei Diskussionen über bestimmte Bewohner während der wöchentlichen Treffen wird immer wieder deutlich, wie wichtig das Wohlbefinden der Bewohner für die Betreuer ist.

Der Alltag in Charmilles ist immer gleich aufgebaut – erst wachen die Bewohner auf, ziehen sich an und frühstücken, dann gibt es eine sogenannte Aktivität, danach Mittagessen, eine weitere Aktivität und schließlich Kaffee und Kuchen, gefolgt von Freizeit. In Charmilles 1 bestehen die Aktivitäten meist aus Spaziergängen oder sogenanntem „Bien-être“ mit Massagen und Entspannung, aber es gibt auch Ausflüge ins Schwimmbad oder zum Reiten. In Charmilles 2 sind die Aktivitäten variierter, über Tischtennis- oder Fußballwettbewerbe bis hin zu größeren Projekten wie das Erstellen eines japanischen Gartens für eine Ausstellung der örtlichen Bücherei. Inzwischen übernehme ich auch mehr Verantwortung und gestalte mitunter meine eigenen Aktivitäten; zum Beispiel habe ich schon mit einigen Bewohnern eine eigene Sportroutine gemacht, mit ihnen Improvisationstheater gespielt und Zimtsterne gebacken. Auch in Charmilles 2 existiert eine Atmosphäre des harmonischen Zusammenlebens zwischen den Bewohnern untereinander, aber auch zwischen den Bewohnern und Betreuern, was es zu einem wirklich schönen Platz zum Arbeiten macht.

Außerhalb der Arbeit verbringe ich viel Zeit mit meinen beiden Mitbewohnern, mit denen ich mich sehr gut verstehe. Außerdem besuche ich einen Sprachkurs, lerne selbstständig Französisch, und bin einem Taekwondo-Verein beigetreten, wodurch ich auch belgische Freunde finden konnte. Durch ein Ankunftsseminar in Brüssel hatten wir „Kleinstadtfreiwilligen“ auch die Chance, mehr Freiwillige aus anderen Regionen Belgiens kennen zulernen, mit denen wir an Wochenenden öfters verschiedene Dinge unternehmen.

Zusammenfassend habe ich das Gefühl, dass während des restlichen EVSes noch lauter große und kleine Abenteuer auf mich warten werden, und ich freue mich darauf, sie genau hier und genau mit diesen Leuten zu erleben.