09 Mai

Impliquer notre territoire dans l’accueil de volontaires 2.0

Ein weiterer Bericht in diesem großen Projekt, das in verschiedenen Aufnahmeorganisationen der Normandie stattfindet. Hier nun berichtet unser Freiwilliger Tim. Er hat es ganz gut erwischt und arbeitet in dem Örtchen La Ferté Macé in einem „Maison Familiale Rurale“. Was das genau ist, erfahrt ihr im folgenden, flott geschriebenem Bericht:

 

Gemütlich liegt La Ferté Macé im Herzen des Departements Orne in der Normandie – eine dieser Kleinstädte, die im ersten Licht recht verschlafen und düster erscheinen, sich aber Tag für Tag, Woche für Woche in neuen Farben zeigen und mit unzähligen Ecken, Winkeln und Nischen aufwarten. An Raum für neue Erfahrungen mangelt es nicht.

Doch zurück zum Anfang. Nach dreizehn Reisestunden in Regionalbahn, ICE, TGV und TER entstieg ich am 1. September schließlich dem letzten Zug der Reise am Bahnhof Briouze, beladen mit Koffer, Reisetasche und Rucksack. In diesem Moment traf ich erstmals meinen Tutor: Christian Jégo. Mit ihm ging es dann in das circa 20 Minuten entfernte La Ferté Macé, wo in der Maison Familiale Rurale bald der zweite Block beginnen würde.

Maison Familiale Rurale (oder kurz: MFR) nennt sich im Übrigen ein in ganz Frankreich verbreitetes Netzwerk ländlicher Schulen, die abhängig vom konkreten Standort vielfältige Ausbildungen anbieten: über berufliches Abitur und Studium bis zur Erwachsenenbildung ist alles dabei. In La Ferté liegt der Fokus auf landwirtschaftlichen Berufen und solchen, rund um Gärtnerei oder Handel.

Thematisch war es ein Umfeld, in dem ich mich persönlich kaum wiederfand. Mich interessieren vor allem Politik, Bücher, Philosophie und Sprache. Letzteres war natürlich bereits gedeckt, doch das Übrige fand sich nicht gerade im Profil der Schüler oder des Unterrichts wieder. Das war zunächst entmutigend, aber in der längeren Betrachtung lehrte es mich die Offenheit, auf die Interessen der anderen einzugehen und das Verständnis für deren Begeisterung. So setzte ich nach 18 Jahren zum erst zweiten oder dritten Mal einen Fuß auf eine Farm. Und auch wenn in mir bis heute kein wirkliches Interesse dafür geweckt wurde, hat mich doch die Erfahrung nach vorn gebracht.

Als Freiwilliger im Ausland empfängt man einiges: eine Unterkunft, Lebensmittel, den Zugang zu einem fremden Land auf kultureller, sprachlicher und sozialer Ebenen, neue Bekanntschaften und und und. Im Gegenzug gilt es, sich engagiert am Projekt zu beteiligen. In La Ferté Macé hatte ich eine breite Palette an Möglichkeiten.

Konkret habe ich beispielsweise zu Beginn des Jahres einigen Klassen Deutschland vorstellen können: Kultur, Essen, Tradition. Im Vordergrund stand meine Herangehensweise an das Projekt, das heißt welche Punkte mir persönlich wichtig waren. So gelingt es auch immer wieder, meine individuellen Interessen einzubringen und den Horizont des Alltäglichen mithilfe persönlicher Erfahrungen zu erweitern.

Ein anderes Projekt, auf das ich besonders stolz bin, war die Zusammenarbeit mit CCFD Terre Solidaire, einer Organisation, die sich zur Bekämpfung des Hungers auch für ökologische Agrarwirtschaft einsetzt. Als mich eine Freundin aus dem Ort also einlud, mir die jährliche Versammlung einmal anzusehen, lag nichts näher, als bei den Freiwilligen um eine Weiterbildung für die künftigen Abiturienten der MFR zu bitten. Sie sagten zu und einige Wochen später diskutierten Schüler, Lehrer, Ingenieur und Freiwillige angeregt über Umwelt, Naturschutz und wie es gelingen kann, dass wir uns künftig auf eine Landwirtschaft im Einklang mit den planetaren Grenzen verlassen können.

Ich habe hier zwei Projekte gewählt und in groben Zügen beschrieben, aber viele andere schlossen sich ihnen an: concours vidéo, parcours artistique, soirée crêpes, karting, um nur einige zu nennen.

Dass so ein Freiwilligendienst stets für Überraschungen gut ist, wurde mir spätestens klar, als mein Tutor mir eröffnete, dass ich mit ihm und unserer Kollegin Caro eine Klasse von Abiturienten im vorletzten Jahr zum Auslandspraktikum nach Spanien begleiten würde. Meine Aufgabe war, die verschiedenen Praktikumsstätten zu filmen und aus diesen Aufnahmen eine Reihe an Videos zu erarbeiten. Neben dieser offiziellen Tätigkeit blieb allerdings reichlich Zeit, um in den Orten Lugo sowie dem wohlbekannten Santiago de Compostela, dem Endpunkt des Jakobsweges auf Erkundung zu gehen. So werden mir neben der imposanten Kathedrale Santiagos und dem Club der Künste (Lugo) auch die Strände Coruñas in Erinnerung bleiben.

Meine bislang letzte große Reise führte mich wiederum nach Brüssel. In einer bunt gemischten Gruppe aus Freiwilligen und Schülern des Lycée Saint-Thomas Acquin durchstreiften wir erst Brügge und waren schließlich eingeladen, das europäische Parlament in Brüssel zu besuchen. Uns empfing die Europaabgeordnete Stéphanie Yon-Courtin, bevor wir einen Ausschnitt der Parlamentsdebatte im Plenarsaal verfolgten.

Zwar wirken die Freizeitaussichten in La Ferté im Gegensatz zu Galizien oder Brüssel recht mager – und richtig ist auch, dass man nach Beschäftigung aktiv forschen muss –, aber zu finden ist fast immer etwas. Ich persönlich habe unter anderem Kontakte mit dem Comité de Jumelage geknüpft und besuche den monatlichen Stammtisch in Bellou en Houlme. Da wäre außerdem noch eine Vielzahl an Vereinen, darunter Tischtennis, Handball und Gesellschaftsspiele. An ersterem habe ich mich versucht. Hinzu kommt der etwas abseits gelegene See mit eigenem Strand, den ich mir im kommenden Sommer noch genauer ansehen werde. Allgemein lässt sich von einem aktiven Vereinsleben berichten, dass für diverse Interesse einen Platz findet.

Wie überall auf dem Land, stellt sich auch in La Ferté die Frage nach dem Altersschnitt. Tatsächlich fiel und fällt es mir alles andere als leicht im Ort auf andere junge Menschen zu stoßen. Abhilfe schafft an dieser Stelle teils das MRJC, eine Jugendorganisation, die immer wieder Menschen aus der Umgebung zu gemeinsamen Aktivitäten versammelt. Anfang Februar fuhren wir zum Beispiel für ein Wochenende in die Region Bourgogne Franche-Comté zur Percée du Vin Jaune. Dennoch ist auch dort der regelmäßige Zulauf gering.

Zum wirklichen Kennenlernen neuer Menschen bedarf es da schon einer weiteren Fahrt. Zwar sind die Städte Briouze – La Ferté Macé – Bagnoles de l´Orne über einen Radweg verbunden, aber weiter hinaus kommt man mangels ausgebauter Busverbindungen nur schwer. Aus diesem Grund würde ich zukünftigen Freiwilligen empfehlen, einen Führerschein zu haben. Sicherlich kann eines der schuleigenen Autos übers Wochenende ausgeliehen werden 😉

Abschließend lässt sich sagen, dass der Freiwilligendienst in La Ferté ein hohes Maß an Eigeninitiative erfordert, vielleicht mehr, als bei den meisten anderen, denn die Freiheit in der Gestalt der Aktivitäten bringt Unsicherheit und Verantwortung mit sich. Darüber hinaus zählt die persönliche Mobilität zu den kniffligsten Aspekten der gesamten Erfahrung. Wer allerdings bereit ist, sich den etwas härteren Anforderungen zu stellen und wem es auch nichts ausmacht, Abschnitte allein zu verbringen, der wird mit unvergesslichen Lektionen und Erfahrungen belohnt.

Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich am Freiwilligendienst gewachsen bin, an seinen Hindernissen und Bereicherungen. Für den Moment bin ich gespannt, auf das, was noch kommt und zuversichtlich, die verbleibenden drei Monate positiv zu gestalten.