17 Mrz

Le volontariat, formation à la tolérance et à la citoyenneté européenne Alsace

Dieses Freiwilligendienstprojekt mit dem langen Titel findet in Schwerwiller statt. Das liegt in Frankreich. Unsere Freiwillige Leonie leistet ihren Dienst dort für fast ein ganzes Jahr noch bis zum Sommer. Hier ihr sehr schöner und ausführlicher Bericht mit einem klasse Schlusswort.

Bonjour à tous!
Ich leiste seit einem halben Jahr meinen Freiwilligendienst bei Emmaüs Scherwiller im Elsass, also an der deutschen Grenze.
Insgesamt entspricht die Arbeit dem was ich mir erwartet habe. Ich arbeite fünf Tage die Woche, meistens Montag bis Freitag. Wöchentlich werde ich in verschiedenen Bereichen eingesetzt, vom Lastwagen bis zum Verkauf war ich schon fast überall. Eins ist immer gleich und zwar dass die Arbeit sehr sehr praktisch ist. Man muss robust, kräftig und entschlossen an die Sache herangehen. Ansonsten riskiert man von den Dingen die ankommen überwältigt zu werden. Vor allem keine Angst vor dem Wegwerfen haben! Oft sind es schöne und wertvolle Gegenstände, die aber nicht gekauft werden oder für die kein Platz mehr im Laden ist. Man muss sich distanzieren und keine Gefühle für die Dinge entstehen lassen.
Im Verkauf gibt es meist keine festen Preise, weshalb die Kunden wie auf einem arabischen Flohmarkt sehr energisch und bestimmt verhandeln, um die sowieso schon niedrigen Preise noch ein bisschen herunterzusetzen –  schlichtweg aus Prinzip.
Das kann sehr anstrengend und auslaugend sein. Eine Arbeit, die man sein ganzes Leben machen will ist das auf jeden Fall nicht!
Dennoch – betrachtet man es objektiv, trage ich dazu bei, Menschen einen Aufenthaltsort und eine Arbeit zu geben, die andernfalls auf der Straße nächtigen würden. Dieser Gedanke spornt mich an in Momenten, in denen ich mich frage, warum ich das Ganze eigentlich nochmal mache…

Als ich im Anfang September hier in Scherwiller ankam, wurde mir meine Wohnung gezeigt, die der Vorbewohner jedoch noch nicht leergeräumt hatte. Auch ansonsten war der erste Eindruck ein rechter Schock… im Bad war Schimmel an den Wänden und unter dem Sofa sowie über den Küchenschränken war Mäusekot.
Mit vereinten Kräften (vor allem denen meiner Familie) gelang es uns die Wohnung bewohnbar zu machen. Eine ausführliche Reinigung war dringend nötig gewesen. Nachdem ich zudem Mäusefallen aufgestellt hatte, habe ich prompt mehrere gefangen. Als meine eigene Wohnung konnte ich es nicht wirklich ansehen… etwas fremd und unwohl habe ich mich gefühlt.
Darüber hinaus war es im ersten Moment schwierig zu den Compagnons, wohlgemerkt ausschließlich Männer, Kontakt herzustellen.
Ich hatte das Gefühl, die ganze Zeit angestarrt und beobachtet zu werden. Zudem wurde ich im Laufe der ersten Monate bestimmt von 15 Leuten gefragt, ob wir Handynummern austauschen wollen oder ob wir mal irgendwohin ausgehen wollen. Etwas gestört hat mich das schon, da ein Großteil bestimmt schon über 30 ist und damit viel zu alt für mich…(!)
Jedoch kann ich zum Glück sagen, dass sich die Situation bis jetzt geändert hat. Ich habe mich gut eingelebt und mit einigen bin ich auch befreundet. Meine Devise soweit: niemals mit einem Mann alleine ausgehen, wenn du nur mit ihm befreundet sein willst…
Damit mein Bericht keinen komplett falschen Eindruck meines EFDs vermittelt, kommt hier zum Schluss noch eine positive Würdigung😉…sofern man es denn so nennen kann, schließlich bin ich doch erst an der Hälfte meines Jahres angelangt.
Ich habe das Gefühl selbstständiger zu werden und mich weiterzuentwickeln. In meiner Freizeit habe ich viele Sportkurse angefangen. Am Wochenende unternehme ich oft was mit einer Freundin, die ich an einem Seminar vor Beginn unseres Freiwilligendienstes getroffen habe.
Sie wohnt in Cernay, also eine Stunde südlich von mir. Wir fahren in die nächsten Städte und schauen uns die Sehenswürdigkeiten der Region an. Ich habe im Vergleich zu meiner Schulzeit wirklich ausgesprochen viel Freizeit, daran musste ich mich auch erstmal gewöhnen, vor allem weil man keine weiteren Verpflichtungen nach der Arbeit hat. Keine Hausaufgaben, nichts für den nächsten Tag vorbereiten – man ist wirklich sehr frei!
Außerdem lerne ich wirklich sehr viel, was soziale Herausforderungen angeht. Einige Compagnons erzählen mir von ihrer Situation, gewissermaßen warum sie bei Emmaüs sind. Denn dort bleiben will niemand von ihnen. Einige sind Flüchtlinge aus Zentralafrika, andere kommen aus den Maghrebstaaten (hier der Großteil aus Algerien), wieder andere stammen aus dem Kosovo und letztendlich gibt es auch Franzosen, die bei Emmaüs unterkommen.
Die meisten hoffen auf ihre Papiere und damit auf eine Arbeitserlaubnis in Frankreich. Oft ist die Familie weit weg und gesehen hat man sich somit schon lange nicht mehr. Hinzu kommen Geldprobleme und anderweitige Sorgen, die ich mir anhöre und versuche temporäre Lösungen zu finden. Dennoch – trotz der generellen Situation – gibt es gewisse Compagnons, die stets gut gelaunt sind und ihr Leben so gut es geht führen ohne sich mit einem Wort zu beklagen, die mit voller Kraft voraus weiterkommen wollen und es hoffentlich auch schaffen werden.
Abgesehen davon verstehe ich Französisch mittlerweile wirklich problemlos und auch verständigen kann ich mich sehr gut. Die Sprache stellt also wirklich überhaupt kein Problem dar. Das kommt aber auch nicht von ungefähr, ich hatte Französisch bis zum Abitur in der Schule und somit schon eine gute Grundlage.

Schlussendlich erfahre ich hier unendlich viel, auch wenn es nicht nur Schönes und Angenehmes ist. Es ist die brutale Realität und auch die muss man anerkennen. Ich bin froh diesen Freiwilligendienst zu machen, denn ich glaube es hat mich und wird mich auch noch weiter prägen und meine zukünftigen Entscheidungen und Prioritäten beeinflussen. Es ist wichtig im Leben, nicht nur stur geradeaus zu schauen, sondern auch links und rechts, sich solidarisch und sozial zu verhalten, mit dem Wissen, dass man zwar nicht ganz alleine, jedoch sehr wohl mit anderen gemeinsam dazu beitragen kann, die Welt ein Stückchen besser und gerechter zu machen.