16 Aug

Let’s do for Rujiena

„Let’s do for Rujiena“ ist ein Freiwilligendienstprojekt in Lettland. Genauer gesagt in Rujiena. Das liegt im Norden zur Grenze zu Estland. Unsere Freiwillige Jacqueline hat einen tollen Bericht geschrieben! Sie hat ein sehr vielfältiges Projekt erwischt und – naja, was soll man sagen – sie ist natürlich auch viel herumgekommen. Die baltischen Länder sind eben sehr, sehr interessant. Aber lest selbst! Es lohnt sich!

 

Hey an all diejenigen, welche sich eventuell für einen Freiwilligendienst in der Zukunft interessieren. Ich heiße Jacqueline und bin 20 Jahre alt. Die letzten 12 Monate habe ich in einem kleinen Ort im Norden von Lettland verbracht und in ein paar Tagen geht auch schon mein Flieger zurück nach Deutschland.

Als ich mir in meinem letzten Jahr an der Schule Gedanken über meine Zukunft gemacht habe, stand da für lange Zeit nichts anderes als ein Fragezeichen. Ich wusste zwar, dass ich nicht direkt Studieren oder arbeiten gehen wollte, doch was es sonst noch für Möglichkeiten gäbe, war mir so ziemlich unklar.
Eine Freundin hat mich dann auf Freiwilligendienste in Europa aufmerksam gemacht und ich habe noch am selben Abend nach allen möglichen Projekten recherchiert.
Und, was soll ich sagen…. Ich wurde fündig!

Nicht mal 2 Wochen nach Beendung meines Abiturs bin ich am ersten August 2021 direkt mit dem Flieger nach Lettland gekommen.
Ich war unglaublich nervös, schließlich ist es ja ein anderes Land, eine andere Kultur, eine andere Sprache und ich bin alleine unter Fremden.
Zu meinem Glück wurde ich von anderen Freiwilligen mit deren Auto vom Flughafen abgeholt. Ich erinnere mich noch wie ich bereits am ersten Tag unglaublich glücklich in meinem Bett gelegen bin und mich gefragt habe warum ich sowas nicht schon viel früher gemacht habe…

Bereits von Anfang an nenne ich diesen Platz hier mein „Zuhause“. Und es fühlt sich auch nicht mehr seltsam an, wenn ich bspw. zu meinen Eltern sage „Ich gehe jetzt mal heim“ und dabei das Haus hier und nicht mein Elternhaus in Deutschland meine.
Mein eigentliches Projekt fand an der Schule statt. Dort sollte ich Präsentationen über Themen wie bspw. Deutschland, Freiwilligendienste oder auch Gebärdensprache halten. Ich durfte bei der Vorbereitung für den Englisch- und Deutschunterricht mithelfen und Kindern bei Aufgaben beraten. Nachmittags habe ich 4 Kindern einzeln Englisch und Deutsch beigebracht.

Während der Schulferien habe ich im Jugendzentrum mitgeholfen. Wir hatten unglaublich viele Aktivitäten mit den Kids von dort im Sommer.
Ich war in kürzester Zeit auf so vielen Boottrips paddeln wie noch nie zu vor, hatte Fahrradtouren und Umweltaktionen bei welchen wir Müll aufsammelten.
Wir haben das ganze Land durchquert und sind ans Meer und haben mehrere Tagescamps für lokale Kids auf die Beine gestellt.
Im Winter wurden Filmnachmittage veranstaltet, Plätzchen und Lebkuchen gebacken und Weihnachtsfotoshootings veranstaltet. Wir haben den Park für den Valentinstag dekoriert und hatten einen Wettbewerb sowie einen Stand für den Tag der ortseigenen Eiscrememanufaktur.

In meinen letzten Monaten fand ein weiteres Projekt für 5 Tage in Litauen statt, für welches man mir die Rolle als Gruppenleiterin für 6 Teenager anvertraut hat.

In den vergangenen 12 Monaten durfte ich unglaublich viel lernen. Über mich, was ich mag und was ich nicht mag, wie ich mich in bestimmten Situationen verhalte und wie ich Dinge im Alltag handhabe.
Dadurch dass ich in gewisser Weise eine Art „Lohn“ bekommen habe, erlernte ich den Umgang mit einem bestimmt festgesetzten Budget sowie bspw. auch mit der Anzahl an Urlaubstagen welche ich frei zur Verfügung hatte.
Ich kam unglaublich viel rum und habe neben Lettland auch weitere Länder gesehen. Bereits in meiner ersten Woche war ich z.B. schon in Estland.

Mit mir wohnten für die meiste Zeit 9 weitere Freiwillige in derselben Wohnung. Natürlich gibt es da auch mal kleinere Streitereien. Doch dadurch konnten wir alle auch lernen in solchen Situationen Probleme zu lösen und aus dem Weg zu schaffen.
Ich habe fast jeden Abend bis spät in den Morgen im Wohnzimmer gesessen und mit den anderen über alles Mögliche gelacht und geredet. Wir haben uns gegenseitig geholfen, waren für einander da wenn es einem schlecht ging und haben einander in persönlichen Fragen beraten.
Bereits in meinem zweiten Monat und dritten hier haben uns zwei andere Freiwillige verlassen. Sie kamen früher und ihre 12 Monate waren bereits verstrichen. Dadurch dass man hier Tag täglich miteinander lebt, arbeitet, reist, redet und lacht knüpft man in kürzester Zeit die stärksten Bünde.
Es ist also kein Wunder, dass ich bereits bei der Verabschiedung von beiden ein paar Tränen vergossen habe.
Hier habe ich unglaublich tiefe Freundschaften fürs Leben gefunden. Wir wissen alles voneinander und haben uns gegenseitig in jeder möglichen Situation gesehen.
Wenn ich Probleme oder Neuigkeiten habe, dann sind diese Menschen hier mit welchen ich meine letzten 12 Monate verbracht habe, die ersten bei denen ich mich melde. Es ist eher wie eine Familie. Und ich hätte nie gedacht, dass man sich so nah kommen kann in so kurzer Zeit.
Vor drei Wochen hat uns meine beste Freundin verlassen… und ja es ist eventuell viel zu dramatisch (besonders bei dem Fakt, dass das Haus ihrer Eltern recht nah liegt…), doch an dem Tag an dem sie ihren Koffer genommen hat und wegfahren musste, konnte ich nicht aufhören zu weinen. Ein ganzes Jahr mit unglaublich vielen Erinnerungen, witzigen Momenten und auch manchmal ganz schön viel Schwachsinn durch den man geht, das schweißt zusammen!

Als ich dann 5 Tage nach ihrer Heimfahrt meinen Geburtstag gefeiert habe, kam sie mit dem Auto für ein paar Stunden vorbei. Eine Woche später haben wir uns in Tallinn getroffen und bald, an meiner Abschiedsfeier, wird sie auch wieder vorbeikommen.
Dieses Jahr was das wertvollste Jahr meines Lebens und ich kann jedem aus tiefstem Herzen empfehlen so etwas einmal zu machen.
Nein, es wird nicht immer alles zu 100% gut verlaufen. Es wird schlechte Tage geben und wahrscheinlich sind vor Ort auch Menschen welche man nicht mag. Doch man sollte einfach versuchen gegenseitig respektvoll zu sein und sich eventuell auch bis zu einem gewissen Grad an Situationen und Gegebenheiten vor Ort anzupassen. Und ganz wichtig: offen sein!