06 Mrz

Proud Volunteers for Solidarity 6

Hier ein Bericht von unserer Freiwilligen Bianca. Sie war für ein halbes Jahr in Wrocław (Breslau) im Süd-Westen Polens und in ihrem Projekt ziemlich multimedial unterwegs. Sie genoss das Leben in Wrocław sehr. Aber lest selbst ihren wirklich sehr aufschlussreichen Bericht:

Mein Freiwilligendienst in Polen ist bald vorbei und damit neigt sich ein halbes Jahr voller Eindrücke, Herausforderungen und neuer Impulse dem Ende zu.
Über jede Erkenntnis, jeden Ort oder jede Person zu schreiben wäre nicht möglich, da das Nacherzählen wahrscheinlich genauso lang dauern würde, wie die Ereignisse selbst. Fangen wir also mit der Zusammenfassung dieser sechs Monate an.

Breslau könnte man als Metropole der Studenten bezeichnen, da ein überraschend großer Teil der Einwohner aus Studenten besteht.
Diese kommen zu einem großen Teil aus dem Ausland, darunter gibt es auch viele Deutsche, deren Abi-Schnitt nicht den deutschen NCs für Studiengänge wie Medizin gerecht werden konnte.
Die Architektur der Stadt ist einzigartig und hat ihren ganz eigenen, romantischen Charme. Große, eindrucksvolle Gebäude, Tourismusattraktionen und Kirchen ziehen sich wie Wolkenkratzer über das Zentrum der Stadt, jedoch ist das Gleichgewicht bezüglich Sehenswürdigkeiten zwischen Zentrum und äußeren Stadtteilen sehr ausgeglichen.
Tolle Orte, die man gesehen haben muss, sind solche wie die Jahrhunderthalle, der japanische Botanische Garten, der Zoo mit Afrikarium, die verschiedenen Inseln und die Dombrücke.
Kulturell und historisch hat die Stadt viel zu bieten, vor allem wenn man sich für die Geschichte des 2. Weltkriegs interessiert, da man in der Stadt aber relativ schnell alles gesehen hat, würde ich den Ort jedoch eher als Reiseziel für Familien oder Paare bezeichnen, anstatt als Traum einer jungen, entdeckungslustigen Person.
Für jede Großstadt typische Einrichtungen wie -! unglaublich viele! – Einkaufszentren, Kinos, Arcade-Hallen, Karaoke und gewöhnliche Bars und Diskotheken gibt es natürlich trotzdem.
Die Stadt und ihre Einwohner sind in Aspekten wie Kultur, Gesellschaft, Aktivismus, Ökologie, Mode und Ansichten überdurchschnittlich progressiv, besonders im Vergleich zu anderen polnischen Städten.
Manchmal hat mich der Kleidungsstil der Jugendlichen in Breslau sogar etwas an Köln erinnert, da man wirklich alles Mögliche zu sehen bekam.

Es herrscht, besonders durch eine hohe Inflation und den Ukrainekrieg, subtile aber spürbare soziale Spannung in Polen.
Den aus der Ukraine Geflüchteten haben der polnische Staat und die Einwohner einerseits finanziell, andererseits mit einem „hands-on-approach“ immens unterstützt, was sich aber zu oft und zu lange als ein einseitiges Investment herausstellte, das aufgrund eines kollektiven Gefühls ausgebeutet oder ausgenutzt zu werden, im Endeffekt ein Gefühl von Verbitterung erzeugte, wie mir von einer Arbeitskollegin erzählt wurde.
Das derzeitige ’sentiment‘ der Bevölkerung spiegelt eine Art systemische Unzufriedenheit und Erschöpfung wider.
Aus diesem oder anderen Gründen wurde uns am Tag der Unabhängigkeit von unserer Koordinatorin auch empfohlen, aufgrund von Randalismus am besten nicht das Haus zu verlassen.

Man hört von Ausländern oft, die Deutschen seien ein kaltes Volk.
Interessanterweise wurden die polnischen Einwohner als ähnlich kalt von den meisten Mitfreiwilligen eingestuft. Hierbei kann man darüber streiten, ob es sich um Kälte oder Sachlichkeit und Diplomatie handelt, für mich war es aber umso leichter, mich sozial einzublenden. Dies wurde dadurch bestärkt, dass ich selbst Polnisch spreche.

Auf der Arbeit war diese Tatsache und im Allgemeinen das Beherrschen verschiedener Sprachen auch der Grund, aus dem mir viele einzigartige Gelegenheiten geboten wurden. Um ein paar Beispiele aufzuführen; ich habe die Website des Erasmus+ Projekts „Culpeer Digital“ selbstständig vom englischen ins polnische übersetzt, was eine unglaublich umfangreiche Aufgabe war, die mich mehrere Monate gekostet hat. Hier konnte ich natürlich meine sprachlichen, aber auch ’software skills‘ durch das Erstellen von benötigten PDFs aus Apps wie Canva oder MS Office, aber auch durch die Pflicht sich des HTML-Kodierens zu bedienen, um jegliche Formatierungen aufrecht zu erhalten.
Außerdem habe ich ein Interview mit Dr. Urszula Markowska von der Fakultät für Erziehungswissenschaften, die am UNESCO-Lehrstuhl für Interdisziplinäre Studien zur Kindesentwicklung arbeitet, auf Englisch geführt, was eine sehr lehrreiche Erfahrung war.
Einige Male habe ich auch an internationalen, englischsprachigen Grundschulen Kinder zu diversen Themen wie z.B. kultureller Pluralismus oder Biodiversität unterrichtet.
Meine offiziellen Aufgaben umfassten ‚Social Media Management‘, also regelmäßige ‚Content Creation‘ und das ‚posten‘ des Contents, Werbung über diverse Medien, wie Werbewebsites, Google-Ads oder social media, die gänzlich eigenständige oder Mitleitung von integrativen Workshops für Kinder mit verschiedenen Hintergründen sowie Unterstützung bei dem vorbereitenden Teil der Buchhaltung, also hauptsächlich Sortieren und Datenerfassung von Dokumenten.

In meiner Freizeit ging ich im Sommer sehr gerne spazieren. Breslau wird die Stadt der hundert Brücken genannt und tatsächlich befinden sich in dieser Stadt mehr als 100 Brücken! Am Ufer entlang zu spazieren und den Ausblick zu genießen ist sehr zu empfehlen. Es gibt ebenfalls das Odra Centrum, ein Restaurant auf einem Schiff, welches auch einen Abschnitt für Workshops rund um das Thema See hat, ob binden von Seemannsknoten, oder Information über verschiedene Schiffsmaterialien. Im Sommer gibt es sogar Schiffs- und Bootsfahrten, die man buchen kann.
Ansonsten ist es für Körper und Seele auch empfehlenswert, sich einem Sport zu widmen. Ich habe einen Vertrag in einem Fitnessstudio abgeschlossen, wovon es hier so viele gibt, dass es die Entscheidung regelrecht erschwert. Ich habe mich für das Fitnessstudio im Aquapark entschieden, in dessen Vertrag ich auch Zugang zum Sportschwimm- Freizeitschwimm- und Saunabereich hatte.
Der Aquapark ist eine riesige Anlage, die ständig voll mit Besuchern und sehr populär ist. Da Breslau stark in Projekte wie Erasmus und das ESK involviert ist, konnte man etliche Erasmus- u.ä. Veranstaltungen finden, welche von Spieleabenden über Barbecues zu Disco-Partys reichten.
Es empfiehlt sich sehr, diese Veranstaltungen zu besuchen, da man so unglaublich leicht Kontakte knüpfen kann und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Ehrenamtliche aus seinem eigenen Herkunftsland kennenlernt.
Ein Fun-Fact ist, dass in Breslau Google Maps in Bezug auf Informationen über ÖPNV ziemlich unzuverlässlich ist, weswegen hier alle die App „Jak dojade“ (zu Deutsch: wie komme ich dahin (?)) für diesen Zweck benutzen.

Ich habe zwar nicht die Effekte des Projekts auf meine persönliche Entwicklung erwähnt, die kurz gefasst immens groß sind, möchte aber trotzdem jeder Person, die einen Freiwilligendienst in Betracht zieht, wärmstens dazu ermutigen!
Hiermit beende ich nun die knappe Schilderung meiner Beobachtungen über allgemeine Themen wie Tätigkeiten, Freizeit und Menschen vor Ort.