03 Nov

Towards integration 2

„Towards integration 2“ ist ein EFD-Projekt im Nordwesten Italiens in der Nähe von Asti. Wir hatten vor einer ganzen Weile immer mal wieder Freiwillige dort und nun hat es unsere Freiwillige Kira dorthin verschlagen. In wunderschöner Landschaft kümmert sie sich um Erwachsene mit psychischen Handicaps. Hier ihr wirklich lesenswerter Bericht…

Gefühlt war es gestern, dass ich alle Berichte über dieses Projekt las und meine Sachen für ein halbes Jahr in Italien packte.
Jetzt bin ich bereits knapp zwei Monate hier und es ist an mir von meinen Erfahrungen zu erzählen. Aber wo soll ich anfangen?

Casa Bosticco ist ein therapeutischer Bauernhof in der Nähe von Asti, in Nordwestitalien.
Die Bewohner dieses Hauses werden „Gäste“ genannt, was schon den ersten Hinweis darauf gibt, dass es sich nicht um eine typische therapeutische Einrichtung handelt. Wir sind eher wie eine große Familie, zwar nicht die traditionelle, aber auf jeden Fall eine ganz besondere. Jeden Tag leben, arbeiten und lachen wir zusammen, was nicht heißen soll, dass hier immer nur Ruhe und Frieden herrscht und es jeden Tag stressfrei zugeht: Wie in einer „normalen“ Familie gibt es Streit und anschließende Versöhnungen, der Regelfall ist das zum Glück aber nicht.
Was kann ich also über meinen Alltag berichten? Der Tag beginnt morgens um acht Uhr in der Küche, nach und nach kommen die Gäste hinunter und frühstücken. Hier erlebte ich meinen ersten Kulturschock: Es wird kein Brot mit Aufschnitt, sondern Milch oder Tee mit Keksen gefrühstückt. Anschließend wird, wie es das Klischee über Italien besagt, Kaffee getrunken. Aber nicht Caffé Americano, wie ich ihn aus Deutschland gewohnt war, sondern Espresso und das bereits zum Frühstück. Im Anschluss geht es an die Arbeit: Arbeiten auf dem Feld, in der Küche oder ähnliches.
Nach einer kurzen Kaffeepause um zehn Uhr, essen wir um halb eins zu Mittag, aber auch dieses ist anders, als ich es gewohnt war: Als ersten Gang gibt es Pasta, als zweiten Gang verschiedenes Gemüse und Fleisch (natürlich alles vom eigenen Hof), als Dessert Früchte und was darf abschließend nicht fehlen? Richtig, Kaffee.
Danach räumen wir auf und gehen wieder unseren Arbeiten nach. Momentan heißt diese häufig: Ceci (dt.: Kichererbsen). Klingt langweilig, aber der Schein trügt.
Alle zusammen sitzen wir an dem großen Tisch, reden, lachen und sammeln die Kichererbsen aus den Schalen. Um vier haben wir eine kurze Kaffee- und Kekspause, dann geht es zurück nach draußen.

An drei Tagen der Woche haben die Gäste zusätzlich verschiedene Aktivitäten: Musik- oder Kunsttherapie, Schwimmen und Fitness. Abendessen, mit allen drei Gängen und abschließendem Kaffee, gibt es jeweils um halb acht.
Wie Italiener nach dem ganzen Koffein noch schlafen können, ist mir bis heute noch unklar. Bevor die Gäste zu Bett gehen, sitzen wir beisammen, beten gemeinsam und reden ein bisschen, danach ist ein typischer Arbeitstag in Casa Bosticco vorbei.

Anders als die Freiwilligen vor mir wohne ich jedoch nicht direkt in der Einrichtung, sondern einem Haus circa zwei Kilometer entfernt.
„Villa Amalia“ ist definitiv nicht das, womit ich gerechnet habe, als ich nach Italien ging. Mit eigenem Pool und Fitnessraum haben die Freiwillige, mit der ich hier arbeite und ich definitiv eine ziemlich luxuriöse Bleibe bekommen, auch wenn es noch keinen einzigen Spiegel oder WLAN im Haus gibt. Abwechselnd arbeiten wir dann in Casa Bosticco, eine von uns am Morgen und die andere am Nachmittag.

Was ich bisher noch nicht angesprochen habe, ist die Sprache und meine Probleme damit.
Bevor ich hierher kam, kannte ich nur sehr wenige italienische Ausdrücke wie „Ciao“ und „Grazie“. Ich befürchtete also, dass ich mir in den ersten Monaten komplett verloren vorkommen würde, was sich zum Glück als falsch herausgestellt hat. Von Anfang an versuchten alle mich zu integrieren, auch wenn das hieß, alles mehrmals zu wiederholen, dabei wild zu gestikulieren und letztendlich häufig jemanden, der Englisch spricht, um eine Übersetzung zu bitten.
An manchen Tagen klappt das besser, an anderen weniger, aber durch genau diese herzliche und ungezwungene Art habe ich mich von Anfang an willkommen und dazugehörig gefühlt, obwohl mir die Begrüßung durch Küsse auf die Wange noch immer seltsam erscheint.
Auch wenn es Tage gibt, an denen ich es vermisse einfach sagen zu können, was ich möchte ohne vorher gefühlte zehn Minuten einen Satz in meinem Kopf zurechtzulegen oder mir morgens das Aufstehen schwer fällt, weil ich keine Lust habe mit dem Fahrrad durch die Kälte zu fahren, freue ich mich schon sehr auf die restlichen vier Monate meines EVS. Ich bin schon jetzt dankbar für all die Erfahrungen und Freundschaften, die ich gesammelt habe und bin gespannt auf die Erfahrungen, die ich hier noch machen werde.