03 Jan

Leonard Cheshire Disability

„Leonard Cheshire Disability“ ist ein EFD-Projekt an ganz verschiedenen Standort in GB. Wir haben schon mehrmals in die Projekte entsendet. Es geht immer um die Arbeit mit behinderten Menschen. Bei diesem Projekt nördlich von London war unsere Freiwillige Josephin fast ein ganzes Jahr. Hier ihr langer, aber sehr schön geschriebener Bericht:

Hallo, mein Name ist Josephin und ich absolviere meinen EFD bei der Organisation Leonard Cheshire Disability im Arnold House in Enfield, im Norden Londons. Im Arnold House wohnen 23 Personen mit ausschließlich körperlicher Beeinträchtigung – 22 davon sitzen im Rollstuhl.

Alterstechnisch ist von 18 bis 80 Jahren auch alles dabei.

Das Arnold House ist ein sehr schönes, altes Gebäude über zwei Etagen, welches in den 70er Jahren mal renoviert und behindertengerecht erweitert wurde. Im Erdgeschoss befinden sich alle Räumlichkeiten, zu denen die Bewohner Zugang haben müssen wie ihre privaten Zimmer, Lounge, Essensbereich, Physio, Terasse etc. In der oberen Etage befinden sich die Büros des Managements sowie das Appartement der zwei Freiwilligen, die dort arbeiten. So wie ich.

Das Appartement in dem ich und mein Freiwilligenkompane wohnen, ist widerum separat von den Büros mit Extra-Eingang bzw. Extra-Aufgang. Genug Privatsphäre ist also gegeben. Wir haben beide unsere eigenen, für London, verhältnismäßig große und schöne Zimmer sowie ein gemütliches Gemeinschaftswohnzimmer, -küche und –badezimmer. Prinzipiell gibt es also keinen Grund zur Beschwerde. Der einzige Nachteil ist, dass aus Sicherheitsgründen keine Übernachtungsgäste gestattet sind. Das heißt, wenn ihr Besuch aus der Heimat erwartet, müssen diese extern untergebracht werden.

Dies hat bei mir dazu geführt, dass ich mit meinen Gästen von zu Hause immer Road Trips durch England gemacht habe, anstatt Tage in London zu verbringen – was nicht schlecht ist. So musste ich mir zum Einen nicht die Sehenswürdigkeiten Londons zig Mal anschauen, sondern konnte das wunderschöne England entdecken – und England ist wirklich schön! (Um mal nur Regionen zu nennen: Cornwall, Devon, Yorkshire, Lake District und Cotswolds. Es lohnt sich!); und zum Anderen hat man mal die Gelegenheit seine Fähigkeiten, auf der linken Seite zu fahren, auszubauen.

In England gibt es außerdem keine Feiertage im klassischen Sinne wie wir sie aus Deutschland kennen, außer Ostern und Weihnachten. Hier gibt es die sogenannten „Bank Holidays“. An diesen Tagen haben die Banken geschlossen. Keiner weiß warum – es gibt sie einfach. Und das Beste ist: sie sind immer Montags oder Freitags. Heißt also man hat des Öfteren ein verlängertes Wochenende an dem es sich gut verreisen lässt, ohne Urlaub nehmen zu müssen. Wales, Irland und Schottland sind auch immer eine Reise wert.

Aber zurück zum Freiwilligendienst:

Zu Beginn meines Freiwilligendienstes in Enfield/London bin ich 30 Jahre alt gewesen und wohnte vorher noch in Berlin. Die Erfahrung einen Freiwilligendienst im Ausland zu machen, wollte ich schon seit meinem 16. Lebensjahr. Allerdings hatte es nie in meinen Lebenslauf gepasst, da ich immer etwas anderes vorhatte. Anfang März 2017 war es dann doch mal soweit.

Mein Tagesablauf im Haus sieht so aus, dass ich 08:00 Uhr morgens aus dem Bett falle, um von 08:30 bis 10:00 Uhr meinen Dienst im Speisesaal anzutreten. (Der Gang zur Arbeit dauert ganze 30 Sekunden.) Dort helfe ich den Bewohnern ihr jeweiliges Frühstück zubereiten, welches meistens aus Toast oder Cornflakes und Kaffee oder Tee besteht.

Von 10:00 bis 12:00 Uhr sind mein Kompane und ich für die Aktivitäten, der Bewohner zuständig bzw. wir bieten Aktivitäten an und sie können mitmachen oder beschäftigen sich selbst anderweitig. Solche Aktivitäten können bspw. sein: Brettspiele spielen, Quizze, Wortspiele, Denkspiele, Arts & Crafts, Bingo, Karten spielen o.ä. Manchmal kommen auch Dienstleister von Außerhalb, für musikalische oder kreative Tätigkeiten, zum Roulette spielen oder um Motivationsseminare zu veranstalten.

Von 12:00 bis 12:30 Uhr helfe ich dann wieder beim Essen. Dabei beschränkt sich die Hilfe auf Drinks zu machen und das Essen ggf. zu schneiden.

Dann gibt’s erstmal Mittagspause und Essen! Und das bis 14:00 Uhr. Da kann man schon mal einen Mittagsschlaf dazwischen schieben. Anfangs hatte mein Magen das schwere Essen überhaupt nicht vertragen – aber man gewöhnt sich ja bekanntlich an alles. Mittlerweile freue ich mich schon mittwochs auf Freitag, weil das der Fish- And-Chips-Tag ist.

Nach dem Mittagsschlaf geht es also 14:00 Uhr weiter mit einer weiteren Aktivität. Die dauert meistens bis 16:00 Uhr. Wenn man mal eher weg muss, ist es auch nicht so schlimm. Und das war es dann auch schon vom Arbeitstag.

Manchmal ist es etwas frustrierend, weil man gerne mehr bzw. andere Dinge mit den Bewohnern ausprobieren möchte, die dann aber nicht umsetzbar sind, weil es a.) aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt ist (wie z.B. mit den Bewohnern kochen/backen oder mit ihnen rauszugehen), b.) Ideen erst vom Management angenommen werden, dann aber doch wieder vergessen werden und man somit keine Hilfe bei der Planung und Umsetzung bekommt (das ist v.a. ein finanzieller Faktor) und c.) es manchmal schlicht und einfach nicht möglich ist mit nur zwei Freiwilligen 5-10 körperlich behinderten Personen bei Aktivitäten zu helfen.

Zumindest für Punkt C wird manchmal Abhilfe geschaffen indem regelmäßig lokale Freiwillige oder Schüler, die Praktika machen ins Haus kommen und helfen. Die Arbeit, die man hier als Freiwilliger leistet, wird auf jedenfall sehr geschätzt. Die Bewohner des Hauses, das Personal und andere Freiwillige, die schon jahrelang ins Haus kommen, um zu helfen sind alle sehr liebevolle Menschen und sind für jede Hilfe dankbar. Das Arnold House ist es Wert mal einen Besuch für ein paar Monate abzustatten.

Ansonsten noch kurz zur Freizeit:

London gehört zu den teuersten Städten Europas. Auch wenn ihr keine Ausgaben für Miete oder Lebensmitteln habt, sind die Ausgaben für den Transport in London enorm hoch. Von Enfield ins Zentrum und wieder zurück könnt ihr schon mit einem 10er verbuchen. Wenn man das zwei Mal in der Woche macht, bleibt vom Taschengeld nicht mehr viel übrig. Also kleiner Tipp: spart euch ein bisschen was an, um London und auch UK genießen zu wollen.

England ist ein tolles Land, welches es Wert ist zu erkunden und zu genießen – selbst die nicht vorhandene Essenskultur.